Geschichte des Pritzwalker Museums
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts setzte in Deutschland eine breitere Auseinandersetzung mit der Regionalgeschichte ein. Auch in der Prignitz fand die "Heimatgeschichte" ein wachsendes Interesse. Dies fand Ausdruck in einer beginnenden Publikationstätigkeit über Heimatgeschichte wie in den Prignitzer Heimatheften, gedruckt erstmals 1908 in der Pritzwalker Druckerei Tienken, sowie von Vereinen ausgehenden Museumsgründungen. Dies waren zunächst das Museum des Vereins zur Förderung der Heimatkunde in der Prignitz im Kloster Havelberg (gegründet 1904, heute Prignitz-Museum) und die Sammlung der Perleberger Altertumsdeputation (gegründet 1905, heute Stadt- und Regionalmuseum Perleberg). Analog dazu etablierte sich 1909 im Kloster Heiligengrabe das Heimatmuseum für die Ostprignitz, unterstützt durch den dortigen Heimat- und Museumsverein. Vom Museum aus erfolgten mehrere Grabungen in bekannten bronzezeitlichen Fundplätzen der Region und damit der Aufbau einer vorrangig archäologisch geprägten Sammlung.
Auch in Pritzwalk entstand eine ehrenamtlich geführte Heimatstube. 1925 war der Prignitzer Heimatverein Pritzwalk und Umgebung gegründet worden, der Kuhsdorfer Pastor Johannes Kopp, ein eifriger Schreiber der Regionalgeschichte, war sein erster Vorsitzender. Der Lehrer Max Petschelt (1866-1945) sowie Wilhelm Rühe (1882-1951) legten eine erste Sammlung für die Geschichte der Stadt an. Die Stadtverwaltung stellte dafür ab 1934 in einem Haus in der Putlitzer Straße einen Raum als „Heimatstube“ zur Verfügung. Hier wurde insbesondere die Geschichte der Handwerke thematisiert. Petschelt führte Gäste durch die Ausstellung und veröffentlichte mehrfach Geschichtsüberblicke zur Stadt.
Das Museum in Heiligengrabe wurde zum Kriegsende 1945 schwer beschädigt und ein Teil der Sammlung ging verloren. Das Museum wurde aufgelöst. Die geborgenen Teile wurden zunächst nach Kyritz gebracht und dort in mehrjähriger Arbeit katalogisiert. Teile der Sammlung (andere verblieben in Kyritz und gelangten später in das Museum Wusterhausen) wurden zusammen mit Objekten aus der 1945 ebenfalls geschlossenen Pritzwalker Heimatstube für eine neue Museumsgründung in Pritzwalk bereitgestellt. Als Teil der Kulturpolitik in der DDR sollten die neu erschaffenen Kreise eigene, hauptamtlich geführte, Heimatmuseen bekommen.
Ausgrabungen bei Pritzwalk (Walter Matthes. Urgeschichte des Kreises Ostprignitz, 1929)
Heimatmuseum Pritzwalk im alten Salzmagazin im Jahr 1990 (Foto: Werner Ernst)
Dem 1953 etablierten Kreis Pritzwalk folgte am 14. August 1954 das neue Kreisheimatmuseum im historischen Salzmagazin von 1826. Die damalige Dauerausstellung war auf 60 Quadratmetern Fläche untergebracht und zeigte bei ihrer Eröffnung 75 Objekte. Museumsleiter Albert Guthke (1900-1981) hatte zuvor als Assistent im Museum Heiligengrabe gearbeitet und von 1947 bis 1948 die zerstörte Sammlung in Kyritz gesichtet. Guthke leitete das Museum bis zu seinem Ruhestand 1972. Eine der ersten Wechselausstellungen hatte den Titel „Reckenthin/Tüchen wird sozialistisch!“ und sollte den staatlich gewollten Übergang des ländlichen Raumes in eine LPG-orientierte Struktur befördern. Mit Beiträgen zur Heimatkunde (1961) und Prignitz-Forschungen (1966 und 1971) etablierte Guthke das Museum auch als Herausgeber regionalgeschichtlicher Forschung. Seine Nachfolge trat Hans-Klaus Eberhard (1930-2011) an. Bis 1976 wurden die Ausstellungsräume innerhalb des Museumsgebäudes erweitert. 1980 übernahm Gabriele Schumacher (1929-2015) die Leitung des Museums, welche sie bis zum Ruhestand 1996 ausübte. Sie brachte neue Kulturformate in das Haus und setzte sich Anfang der 1990er Jahre sehr für dessen Fortbestand ein. Der regionale Sammlungsauftrag des Museums beachtete das damalige Kreisgebiet, neben Pritzwalk auch Putlitz, Meyenburg und Groß Pankow.
Zunächst unter dem Dach des Kulturbundes der DDR gründete sich 1986 mit der Gesellschaft für Heimatgeschichte wieder ein Verein mit Verbindungen zum Museum, um dessen Arbeit ehrenamtlich zu unterstützen und mit den Pritzwalker Heimatblättern eine regelmäßige Publikation zur Regionalgeschichte herauszugeben. Langjähriger Vereinsvorsitzender ist der Lehrer Dr. Wolfgang Simon.
Museumsführung durch Gabrielle Schumacher, 1985 (Archiv Museum)
Stadt- und Brauereimuseum am Meyenburger Tor im Jahr 2010 (Foto: Stefan Warnstedt)
Der Kreis Pritzwalk ging 1993 im Landkreis Prignitz auf. Das Heimatmuseum blieb trotz einer wirtschaftlich schwierigen Zeit in der Stadt erhalten. 1998 übernahm die Gesellschaft für Heimatgeschichte die Trägerschaft des Museums in Zusammenarbeit mit der Stadt Pritzwalk. Der Historiker Dr. Rolf Rehberg (1958-2013) wurde der neue Museumsleiter. Das Haus zog auf das in der Rekonstruktion befindliche Brauereigelände am Meyenburger Tor um und eröffnete 2002 neu als Stadt- und Brauereimuseum Pritzwalk. Das Museum verfügte nunmehr über etwa 400 m2 Ausstellungsfläche und übernahm die Pritzwalker Brauereigeschichte als neuen Sammlungs- und Ausstellungsbereich. Bis zur Schließung der Brauerei im Jahr 2009 war das Besuchskonzept eng an den Brauereistandort geknüpft. In der Leitung des Museums folgten auf Rehberg zwischen 2014 und 2016 die Historikerin Katja Rosenbaum und 2016 der Historiker Lars Schladitz.
2018 erhielt das Museum den neuen Namen Museumsfabrik Pritzwalk und wurde um Räume in der ehemaligen Tuchfabrik Gebrüder Draeger erheblich erweitert, so dass eine Gesamtausstellungsfläche von über 1500 m2 zur Verfügung steht. Die Ausstellungsräume in der Brauerei blieben erhalten und sind mit denen in der Tuchfabrik über eine Brücke verbunden. Das Haus erhält eine neue Dauerausstellung mit dem Schwerpunkt auf der Industrialisierung im ländlichen Raum und somit eine entsprechende Erweiterung des Sammlungskonzeptes. Die Museumsdruckerei Streckenthin, von 2003 bis 2016 als Außenstandort geführt, wurde in die neue Ausstellung integriert und erweitert diese. Damit verbunden wurde auch das Vermittlungskonzept des Museums überarbeitet und ein umfangreiches museumspädagogisches Programm eingeführt.
Museumsfabrik Pritzwalk im Jahr 2021 (Foto: Lars Schladitz)
Industrieensemble aus Tuchfabrik Gebrüder Draeger (Mitte) und Brauereigelände (links), in dem seit 2018 die Museumsfabrik Pritzwalk beheimatet ist. (Foto: Lars Schladitz)
Von Lars Schladitz. Eine Version dieses Artikels ist erschienen unter "Fünf Jahre Museumsfabrik Pritzwalk (und 70 Jahre Museum Pritzwalk). Ein Blick auf die lange Geschichte einer Pritzwalker Kulturinstitution" in: Pritzwalker Heimatblätter (20.2023), 100-107.